Start in ein neues Leben

In dem Moment, in dem ich diese Zeilen schreibe, bin ich gerade mal seit etwas über einer Woche öffentlich out – bei Freund*innen sind es etwas über zwei Wochen. In der letzten Zeit hat sich unglaublich viel getan und ich bereue es ein wenig, diesen Blog nicht schon früher begonnen zu haben. Vor allem der Selbstfindungsprozess war sehr intensiv und mir sind sehr viele Dinge durch den Kopf gegangen – aber das Medium Schreiben war mir in dieser überwältigenden Phase einfach zu langsam.

Also starte ich mein Tagebuch heute, inspiriert von einem Roman, den ich gerade als Hörbuch höre: Symptoms of Being Human von Jeff Garvin.



By the way, ich kann das Buch bereits jetzt absolut uneingeschränkt empfehlen und es ist z. B. bei BookBeat auf Englisch zu hören (unbezahlte Werbung Ende, lol). Protagonist*in Riley ist genderfluid und beginnt einen Blog über genderqueere Themen, der schnell viele Leser*innen findet. Das erwarte ich von diesem Blog hier nicht, zumal es Tausende dieser Art geben wird, aber falls ihn noch jemand außer mir selbst liest, freut mich das natürlich extrem.

Den aktuellen Stand meiner gerade erst begonnenen Reise möchte ich schnell einmal in Stichpunkten zusammenfassen:

  • Ich bin in der direkten Familie (Ausnahme: meine Omi) und bei Freund*innen geoutet, außerdem öffentlich via Instagram und Facebook. Auf Twitter sowieso, aber da habe ich kaum Real Life Peeps. Zudem bin ich auf der Arbeit und teilweise in der Uni out.
  • Überall, wo es unkompliziert möglich ist, verwende ich meinen neuen Namen. Für überall dort, wo es kompliziert möglich ist, warte ich noch auf meinen Ergänzungsausweis, den ich bereits vor fast zwei Wochen beantragt habe. Damit kann mein Name auf jeden Fall schon mal in der Uni offiziell geändert werden und vielleicht auch offiziell auf der Arbeit. Weniger Hoffnung mache ich mir bei Institutionen wie der Krankenkasse, aber auch da ist es einen Versuch wert.
  • Ich habe meine Kleidung komplett umsortiert, verschenke vieles und habe auch einiges von lieben Menschen gespendet bekommen.
  • Ich werde in der Öffentlichkeit leider noch ziemlich weiblich gelesen, obwohl ich mir größte Mühe gebe, ein männliches Bild zu geben. Das ist etwas frustrierend. In meinem Wohnumfeld bin ich außerdem noch als Frau bekannt und es ist offensichtlich, dass mich alle weiterhin als solche sehen. Ich oute mich nun nicht regelmäßig bei Gassigängen, aber wenn ich nach meinem Namen gefragt werde, sage ich Kaspar (ist aber erst einmal passiert).
  • Meine Therapeutin ist sehr engagiert und ich bin ihr super dankbar. Sie sagte bereits, dass sie jederzeit Befunde für mich schreibt, falls benötigt, und schaut außerdem für mich nach Organisationen in der Umgebung, die mich unterstützen könnten. Außerdem habe ich einen neuen Psychiater, der allerdings nicht sonderlich firm mit genderqueeren Themen zu sein scheint (obwohl er meinte, er habe eine trans Frau als Patientin???). Ich hoffe, er ist aber so offen, dass auch er mir ein Indikationsschreiben ausstellen kann, sobald ich es benötige. Ansonsten bin ich noch etwas verwirrt, für welche Anträge man zertifizierte Gutachten braucht. Die Hormontherapie geht anscheinend bereits mit psychologischem Befund, ab den OPs wird es wohl komplizierter.
  • Ich bemühe mich um einen Termin bei einem Endokrinologen*einer Endokrinologin.
Fazit der Zusammenfassung: Der nächste kleine Schritt ist der Erhalt des Ergänzungsausweises, da ich damit hoffentlich an noch mehr Stellen mit meinem neuen Namen registriert werden kann. Danach ist der erste große Schritt der Beginn der Hormontherapie. Erst dann kann ich Weiteres (d. h.: OPs) besprechen. In der Regel sind geschlechtsangleichende OPs erst nach mindestens einem halben Jahr Hormontherapie möglich, das heißt, es hängt von meiner Suche nach einem Endokrinologen*einer Endokrinologin ab, ab wann ich mit einer Mastektomie rechnen kann. Von einer lieben Twitteruserin habe ich dafür bereits eine Klinik in München empfohlen bekommen, die wirklich absolut perfekt wirkt, da sie vollständig auf Transgender-OPs spezialisiert ist. Ich werde mich dort um ein Vorgespräch bemühen.

Es bleibt also alles sehr aufregend und spannend und die nächsten Jahre wird (hoffentlich) viel passieren. Ich versuche, mich über jeden kleinen Schritt zu freuen, aber auch die weiteren Schritte im Hinterkopf zu behalten, um möglichst keine unnötigen Wartezeiten auf Termine entstehen zu lassen.

Tatsächlich bin ich der Überzeugung, dass ab dem Zeitpunkt, ab dem ich Testosteron bekomme (bzw. ab dem Punkt, an dem es bereits einige Veränderungen hervorgerufen hat), ein großer Meilenstein bzgl. des Passings erreicht ist. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie sehr mich der Gedanke an die Angleichungen, die Testosteron bewirkt, vor Vorfreude überwältigt: Stimmbruch, hoffentlich Bartwuchs (hoffentlich kein Haarausfall, haha), Körperfettumverteilung, erleichterter Muskelaufbau, Vergrößerung der Klitoris. Es wird der Gender-Dysphorie so unglaublich viel entgegensetzen.

Hoffentlich vergeht die Zeit schnell. Ich bin überraschenderweise ausnahmsweise endlich einmal guter Dinge.







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