Gibt es eine trans Agenda?

Konservative behaupten gern, die LGBTQ+-Community habe eine Agenda, möglichst viele Menschen schwul, lesbisch, bi und auch trans zu „machen“. Wir seien regelrecht besessen von den Themen Genderidentität und Sexualität und würden viel zu viel darüber reden. Das leitet mich über zum FAQQ Numéro 2:

Frequently Asked Questioning Question II: Gibt es eine trans Agenda?

Mir liegt es sehr am Herzen, zu sagen: Nein. Natürlich gibt es in jeder Community ein paar laute Stimmen, und durch das Schreiben dieses Blogs kann ich mich wohl zu einer der eher lauteren Stimmen zählen. Die Wahrheit ist aber: Nicht jede Person, die für sich entdeckt, dass sie trans ist, hat auf einmal ein riesiges Mitteilungsbedürfnis und möchte der Welt davon erzählen.

Ich habe das, aber das liegt daran, dass ich schon immer Blogger bzw. Schriftsteller werden wollte und nach einem Thema gesucht habe, das mir am Herzen liegt und das mich nachhaltig genug beschäftigt, um regelmäßig Beiträge dazu zu produzieren. Ich bin ein kreativer Mensch, ich schreibe schon immer gern, und ich bin eine verdammt aufmerksamkeitsliebende Person, vor allem, was meine kreativen Ergüsse anbelangt. Deshalb ist es für mich der ideale Weg, diesen Blog zu schreiben und als queere Person öffentlich präsent zu sein (auch wenn das – zumindest aktuell – keine besonders großen Ausmaße hat, hier geht es ums Prinzip). Queere Menschen schulden euch aber keineswegs, in dieser Art in der Öffentlichkeit zu stehen.

Es gibt genügend trans Menschen, für die die Erkenntnis, trans zu sein, eher Angst anstatt Euphorie auslöst. Es gibt genügend trans Menschen, die sich entscheiden, sich (erst einmal) nicht zu outen. Und vor allem gibt es genügend trans Menschen, die absolut keine Lust haben, mit allen möglichen Leuten über (ihre) Transidentität zu reden. 

Was ich damit sagen will: Erwartet bitte nicht von jeder trans oder allgemein queeren Person, dass sie euch alles erklärt, was ihr wissen wollt. Es kann belastend sein, über solche Themen zu reden, und vor allem werden in solchen Situationen gerne und schnell Grenzen überschritten (zum Beispiel die beliebte Frage nach geschlechtsangleichenden OPs, die eine sehr persönliche ist). Wenn man sich für den Ablauf einer Transition und einzelne Aspekte interessiert, kann man das durchaus googeln – oder eben bei Personen nachlesen, die bereitwillig Informationen und ihren persönlichen Weg teilen, so wie ich.

Manche Menschen erklären gern und reden gern über ihre eigenen Erkenntnisse. Genau wie in allen anderen Bereichen auch ist es einfach Typsache, wie gern man wie viel von sich preisgibt und wie gern man selbst erarbeitetes Wissen anderen zur Verfügung stellt. Für viele bleibt Transidentität ein vollkommen persönliches Thema, das die Außenwelt nicht zwingend erreichen muss, während das Thematisieren der Transidentität für andere – wie mich – zu einem essenziellen Bestandteil des Lebens wird.

Also: Trans Menschen haben nicht grundsätzlich eine Agenda, jeglichen Menschen von ihrer Transidentität zu erzählen. Sehr viele trans Menschen werden im Gegensatz sogar froh sein, wenn sie einfach gar nicht als trans auffallen, sondern als cis „passen“. Es kann viel mehr trans Personen geben, als euch vielleicht bewusst ist. Und wir, die über unsere Transidentität Bloggenden, Redenden, Tweetenden, Instagrammenden etc., haben allenfalls die „Agenda“, zu zeigen: Wir existieren. Unsere Existenz ist valide. Wir wollen Gleichberechtigung – keine Fremdbestimmung und keine Diskriminierung. Für eine gern als unfassbar aggressiv dargestellte „Agenda“ kommt mir das doch ziemlich harmlos und pazifistisch vor.

Wir wollen auch nicht, dass plötzlich alle Menschen trans (oder schwul oder lesbisch oder bi oder nichtbinär etc.) werden, wir wollen einfach nur, dass alle Menschen, die trans (etc.) sind, keine Angst davor zu haben brauchen, sich zu outen. Wir wollen einfach nur, dass unsere Existenz kein Kampf sein muss und dass wir in der Gesellschaft so angenommen werden, wie wir sind.



Kommentare

  1. "Es gibt genügend trans Menschen, für die die Erkenntnis, trans zu sein, eher Angst anstatt Euphorie auslöst. Es gibt genügend trans Menschen, die sich entscheiden, sich (erst einmal) nicht zu outen. Und vor allem gibt es genügend trans Menschen, die absolut keine Lust haben, mit allen möglichen Leuten über ihre Transidentität zu reden. "

    Kaspar, du sprichst mir so aus der Seele. So so sehr. Warum muss die Gesellschaft so anstrengend sein uns alles belablen? Und am meisten nervt es mich, wenn man mich nach einer Geschlechtsangleichung fragt, wenn ich für mich diese Frage nicht beantworten kann, nur weiß dass mein Hirn einfach ein verdammt schwuler Kerl ist (und ich habe mich nur vor 3 Personen geoutet). Noch mehr nervt es mich, wenn man dann mein trans-sein in Frage stellt - ich bin mir manchmal selbst nicht trans genug, da müssen andere mich nicht auch noch in die cis-hetero Ecke stellen. Zum Glück habe ich einen wunderbaren Partner, der mit mir wohl besser klar kommt, als ich mit mir selbst.
    Ich glaube, ich werde mich nicht öffentlich outen - zu viel Unverständnis, zu viel Diskriminierung, zu viel Angst, zu viele Vorwürfe einem Modetrend hinterher zu rennen, obwohl ich schon als Kind Jungsklamotten getragen habe - nur jetzt hat das, was ich bin, endlich einen Namen und viel wichtiger Menschen, wie dich, die dem eine Plattform geben - das Gefühl gehört zu werden. Danke!

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    1. Oh, das freut mich so zu lesen, ich bin ganz gerührt!
      Und es ärgert mich natürlich für dich mit, dass es dir so schwer gemacht wird. Ich bin aber froh, dass du schon mal einen engen vertrauten Kreis hast, das ist viel wert. Und ob du eines Tages den Drang hast, auch öffentlich als Mann zu leben, wirst du noch sehen – Hauptsache, du lebst aktuell so, wie es sich für dich richtig anfühlt, und da ist es auch vollkommen valide, zu sagen, dass du dich dem Druck und der potenziellen Ablehnung der Gesellschaft eben nicht aussetzen möchtest. Ich wünsche dir ganz viel Kraft auf deinem weiteren Weg 💛

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