If you know a trans person's deadname, no you don't

Diesen Blog werden viele Menschen lesen, die wissen, wie ich bisher in meinem Leben hieß. Es ist kein Geheimnis und sehr einfach zu ergoogeln – es ist aber ein Ausdruck von Respekt, das nicht zu tun.

Deadname oder dead name heißt in der trans Community der abgelegte Name, den einem die Eltern bei der Geburt gegeben haben. Namen haben in unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert und sie signalisieren i. d. R. bereits das gesellschaftliche Geschlecht (Gender). Deshalb ist es für trans Menschen nur konsequent – es sei denn, ihnen wurde zufälligerweise ein genderneutraler Name gegeben –, diesen Namen abzulegen und einen zum empfundenen Gender passenden Namen auszuwählen. Ich wollte der Einfachheit halber gern meine Initialen beibehalten; dieser Wunsch besteht aber nicht bei allen trans Personen, sondern ist selbstverständlich eine individuelle Entscheidung.

Gerade weil der Name in unserer Gesellschaft als derart wichtig empfunden wird, verknüpft man als trans Person viele Dinge mit dem alten Namen. Er ist quasi die Überschrift für das gesamte bereits gelebte Leben, das man hinter sich hat, in dem man zwar nach außen hin als in meinem Fall Frau gelebt hat, damit aber nicht glücklich war. Mit einem Namen wird nun mal – leider – i. d. R. auch Männlichkeit oder Weiblichkeit verbunden. Es sollte daher klar sein, dass ich als geouteter trans Mann nicht mehr mit meinem weiblichen Vornamen angesprochen werden will. Und dass ich auch nicht möchte, dass weiterhin über mich als weibliche Person gesprochen wird, selbst wenn ich nicht dabei bin. Das kann ich aber natürlich nicht kontrollieren, sondern ich kann nur darauf vertrauen, dass mein Umfeld meine Transidentität akzeptiert und es auf sich nimmt, sich bzgl. des Namens (und der Pronomen) umzugewöhnen.

Außer für meine amtlichen Dokumente, die nicht so leicht geändert werden können, spielt mein alter Name also absolut keine Rolle in meinem aktuellen Leben. Ich leugne damit nicht, dass ich bisher als Frau mit meinem alten Namen aufgetreten bin, aber ich möchte nun eben in die Zukunft blicken bzw. in der Gegenwart leben.

Für alle Menschen, denen ich mich neu vorstelle, ist diese ganze Namensache gar kein Problem. Dort sage ich, ich heiße Kaspar, und gut ist's. Schwieriger ist es für Menschen, die mich bereits (lange) kennen. Hier ist es ein größerer Akt, einen neuen Namen zu etablieren, und es kann nur funktionieren, wenn das Umfeld bereit ist, sich auf eine Umgewöhnung einzulassen. Dass das allgemein möglich ist, sollte klar sein: Wir schaffen es schließlich auch, uns einen neuen Spitznamen einzuprägen oder auch, nach einer Heirat oder Scheidung, einen neuen Nachnamen. Ich erwarte hier nichts Außergewöhnliches.

Was es aber bleibt, ist eine Umgewöhnung, die aktive Arbeit erfordert. Ja, ich weiß, es ist nicht gerecht, dass sich andere Menschen für mich Arbeit machen müssen – da kann ich nichts anderes sagen als: Ich wünsche mir, dass ich das euch wert bin. Und was die Arbeit an sich betrifft, möchte ich ein paar Ratschläge geben.

Ganz einfach gesagt gilt: Von nichts kommt nichts. Es wird nicht geschehen, dass ihr auf einmal von allein Kaspar sagt. Das Gehirn muss trainiert werden. Deshalb ist das Allerwichtigste, was ihr wissen müsst: Es geht nicht nur darum, wie ihr mich anredet, sondern auch darum, wie ihr mit anderen über mich redet – und vor allem darum, wie ihr über mich nachdenkt (sofern ihr das tut, lol). Umgewöhnung kann nur durch Korrektur geschehen, und ich bin nicht immer da, um euch zu korrigieren. Also müsst ihr das gegenseitig bzw. selbst tun. Der Trick ist: Sobald man anfängt, im Inneren selbst über eine Person mit einem neuen Namen nachzudenken, ist die Verknüpfung ganz schnell da und es wird sehr schnell sehr natürlich. Es ist dieser erste Schritt, der Überwindung kostet.

Aber wieso kostet der eigentlich so viel Überwindung? Warum sträuben sich viele dagegen, den neuen Namen eines trans Menschen zu verwenden?

Die Antwort liegt auf der Hand: Mit einer Transition geht für einen selbst, aber auch für das Umfeld, stets ein Abschiedsprozess einher. Ich verabschiede mich von meinem Auftreten als Frau und das löst eine riesige Befreiung in mir aus, weil es sich für mich nicht richtig angefühlt hat, diese Person zu sein, als die ich bisher aufgetreten bin. Meine Familie und Freund*innen sind aber quasi gezwungen, sich von einem lieb gewonnenen (hoffe ich zumindest, haha) Menschen zu verabschieden, den sie gerne einfach so behalten hätten, wie er war.

Es ist also völlig okay, zu trauern. Trauern ist hier ein angemessenes Wort, denn das Bild, dass ich eine Frau sei, soll tatsächlich – metaphorisch gesprochen – begraben werden. Das klingt für sich erst einmal traurig. Aber das ist ja nicht alles. Denn gleich darauf könnt ihr eine neue Person begrüßen: Mich als Kaspar, der endlich zufrieden mit sich selbst ist. Ich heiße anders und bin keine Sie mehr, sondern ein Er, und mit der Zeit wird sich mein Äußeres drastisch verändern (zumindest hoffentlich), aber ansonsten bleibe ich weiterhin der Mensch, der Charakter, die Persönlichkeit, die ihr kennt. Ihr müsst nicht von mir als Menschen Abschied nehmen. Nur von meiner falschen Hülle. Und dass diese Hülle falsch für mich war, kann einzig und allein ich beurteilen.

Erst wenn dieser Prozess (dass es okay ist, dass ich nun euer Freund/Bruder/Sohn etc. und nicht Freundin/Schwester/Tochter etc. bin) bei euch abgeschlossen ist, kann das Ansprechen mit dem neuen Namen und den neuen Pronomen funktionieren. Auch dann bedeutet es noch eine verschärfte Aufmerksamkeit, da man verstärkt darauf Acht gibt, was man sagt, aber es ist dann gar nicht so schwer, wie ihr vielleicht denkt.

Ich muss gestehen, die erste Zeit habe ich selbst die Macht des Deadnames nicht ernst genommen. Vor allem habe ich meinen alten Namen selbst noch ständig in den Mund genommen, wenn ich etwas zum Thema Transition erklären wollte. Damit habe ich mir selbst eine Grube gegraben: Je mehr ich den alten Namen benenne, desto präsenter bleibt er – und das ist ja das Gegenteil von dem, was ich möchte. Nicht umsonst heißt es schließlich dead name, toter Name, was bereits signalisiert: Dieser Name sollte wirklich nicht mehr ausgesprochen werden.

Mehrere Namen quasi gleichzeitig zu benutzen, ist außerdem einfach verwirrend. Am besten ist es, wenn der alte Namen gar nicht mehr aktiv präsent ist, weil er eben nicht mehr benötigt wird. Und wie ich bereits schrieb: Je öfter der alte Name noch fällt, desto präsenter bleibt er. Deswegen meine Bitte: Sprecht meinen alten Namen, wenn ihr ihn kennt, bitte nicht aus, auch nicht mit Menschen, die ihn ebenfalls kennen, am besten auch nicht für euch selbst. Nur so kann es funktionieren, dass ihr es schafft, mich als Kaspar zu sehen.

Und wenn ihr ein richtiger Ally (Verbündete*r) sein wollt, korrigiert ihr Personen, die meinen alten Namen aussprechen (auch euch selbst). Das signalisiert den deadnamenden Personen, dass mein neuer Name real ist, dass er nicht nur mein persönliches Konstrukt ist, sondern dass Menschen mich tatsächlich so nennen, ich so auftrete, ich Kaspar bin. Wahrscheinlich ist es allgemein sehr hilfreich, meinen neuen Namen aus anderen Mündern als meinem eigenen zu hören.

Es ist also etwas ganz Kleines und ganz Einfaches, das unglaublich machtvoll ist: mich konsequent Kaspar zu nennen. Ich wäre euch unendlich dankbar, wenn ihr dem eine Chance gebt. Und denkt einfach dran, wenn mein alter Name in eurem Hirn aufploppen sollte (bzw. der einer trans Person, die ihr kennt): If you know a trans person's deadname, no you don't.


Kommentare

  1. Hey!
    Ich verfolge nun auch deinen Blog...
    Ich habe leider keine Ahnung von transidentität, kann dir aber versichern, dass ich das zu 100 % respektiere.
    Aber bei der Namenssache glaube ich - um zumindest für mich zu sprechen - dass man manchmal auf alte Namen zurück greift zur besseren Erläuterung. Und gerade das Beispiel Hochzeit ist da bei mir sehr passend... Meine Studienkollegen erklären heute noch, wenn sie von 'Julia' sprechen, dass sie die "siebeline" meinen in Anspielung auf meinen Mädchennamen vor der Hochzeit... Für mich ist das aber nur eine Beschreibung, wie "die mit den langen Haaren" oder "die Motorrad - Bloggerin"...
    Daher ist dies vielleicht nicht von allen respektlos gemeint, sondern vielleicht nur einfach etwas gedankenlos ist....

    Zumindest wäre es dies bei mir, aber ich versuche ab jetzt bei transgendern mehr daran zu denken...

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    1. Hey, danke für deinen Kommentar! :)
      Wenn aus dem Kontext nicht ersichtlich wird, um welche (bei beiden Parteien bekannte) Person es sich handelt, kann man zur Aufklärung natürlich den alten Namen einmalig verwenden. Darum ging es mir nicht, sondern darum, NICHT weiterhin den alten Namen zu verwenden, sobald der neue bekannt ist. :)

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