Herr Psychiater, bye

Eigentlich hatte ich nicht vor, eine Fortsetzung zu diesem Beitrag zu schreiben, aber gerade muss ich doch mal wieder Gedanken sortieren und ein wenig Emotionen ablassen. Während ich letzte Woche noch schrieb, dass ich mit der identitätsinvalidierenden Art meines neuen Psychiaters umgehen kann, muss ich heute sagen: Nope, das kann ich mir nicht weiter geben, das ist es nicht wert. Mein Antidepressivum kann ich auch woanders verschrieben bekommen.

Grund für die erneute Auseinandersetzung mit dem werten Herrn Psychiater war meine Fehlannahme, dass er mir einen Überweisungsschein für die Endokrinologie schreiben könne. Jetzt weiß ich, dass Überweisungen von Hausärzt*innen geschrieben werden – das Ironische an der heutigen Geschichte ist also, dass sie komplett abwendbar gewesen wäre, hätte ich dies vor meinem Anruf gewusst. Tja, stattdessen lief es wie folgt ab.

Ich rufe in der Praxis an, melde mich mit „Kaspar XY“, er sucht nach mir, sagt schließlich (übrigens komplett ohne Anlass, mich überhaupt mit Namen anzusprechen) „Frau XY“, ich sage: „Herr XY, bitte“ – er korrigiert sich nicht und sagt auch sonst nichts dazu.

Ich erzähle also von meinem Anliegen und er klärt mich auf, dass er dafür nicht zuständig sei. Soweit so gut, ich bedanke mich und bin bereit, aufzulegen, aber er fängt an, infrage zu stellen, weshalb ich überhaupt zu einem Endokrinologen*einer Endokrinologin möchte. Auch fragt er, ob ich dafür nicht ein Gutachten bräuchte statt einer Überweisung – ich merke schon wieder (wie beim letzten Mal), dass er definitiv weniger informiert ist als ich, aber davon ausgeht, dass ich so überhaupt keine Ahnung habe.

Ich erkläre, dass das psychologische Indikationsschreiben zwar das Wichtigste sei, auf der Webseite der endokrinologischen Praxis aber auch stehe, dass man einen Überweisungsschein mitbringen solle, falls vorhanden. Die Sache mit der Überweisung war aber ja eigentlich eh schon geklärt und es kommt mir mal wieder so vor, als würde er einfach überhaupt nichts verstehen.

Er versteift sich also auf das „Gutachten“ und die Tatsache, dass ich eine Hormontherapie anstrebe, und meint in eindeutig abwertendem Tonfall: „Wollen Sie nicht erst mal das Gutachten abwarten?“ Ich versuche, ihm zu erklären, dass amtliche Gutachten, die er meint, für die Namens- und Personenstandsänderung vonnöten sind sowie für die Bewilligung von geschlechtsangleichenden OPs, nicht aber für den Beginn einer Hormontherapie. Dafür wird ein psychologisches Indikationsschreiben benötigt, das ohnehin meine Therapeutin ausstellt (die mich im Gegensatz zu ihm auch tatsächlich kennt und mich bereits länger auf meinem Weg begleitet, by the way). Der Psychiater dachte anscheinend, er sei für ein Indikationsschreiben zuständig, und wollte mir wohl schon einmal mitteilen, dass er mir keines schreiben würde. Cool, danke, aber I don't need you for this anyway. Ich erkläre also, dass meine Therapeutin eine Indikation schreibt, und es ist ihm anzumerken, dass er diese Tatsache missbilligt (auch komplett cool einfach, das Urteilsvermögen meiner Therapeutin so infrage zu stellen). 

Aber warum? Was ist sein Problem? Wieso kapiert er nicht, dass die Erkenntnis, dass ich transident bin, für mich eben nicht so neu ist wie für ihn? Wieso denkt er, er kann beurteilen, wie neu und eventuell unüberlegt meine Gedanken sind?

Er hat zu diesem Thema nie Nachfragen angestellt, er hat mir einfach nur signalisiert, dass ich noch an keinem ernstzunehmenden Punkt sei. Ganz offenbar will er aber auch verhindern, dass ich überhaupt erst an einen ernstzunehmenden Punkt komme. Ich habe das Bedürfnis, auf seine sich wiederholenden Worte, wie beschwerlich der Weg einer Transition sei, zu schreien: „News Flash: Ohne solche Arschlöcher wie Sie wäre der Weg vielleicht nicht ganz so beschwerlich, vielen Dank auch!“

Zudem scheint für ihn einzig ein amtliches Gutachten zu zählen, um meine Identität zu akzeptieren, und er scheint nicht darüber informiert zu sein, dass ein amtliches Gutachten nicht der erste Schritt im Prozess der Transition ist, sondern dies erst viel später kommt und Gutachten außerdem direkt vom Gericht oder vom MDK angefordert werden, sobald es soweit ist, und man sich nicht selbst darum kümmern kann.

Fassen wir zusammen: Aus dem unkomplizierten Anliegen – der Frage nach einer Überweisung und der Erklärung, dass er dafür nicht zuständig ist – wurde schon wieder ein Rechtfertigungsgespräch. Der Herr Psychiater wollte mir schon wieder erklären, dass das alles nicht so einfach sei und lang dauere und blablubb, und ich verzweifle langsam, wieso er einfach nicht versteht, dass ich mit der Tatsache zu ihm kam, dass ich transident bin, und nicht mit der Überlegung. Nachzuhaken, um meine Aussage zu bestätigen, wäre ja sehr sinnvoll – es gäbe so vieles, was er auch schon bei unserem ersten Termin hätte ansprechen und nachfragen können. Er hat aber rein gar nichts zu meiner Identität gefragt, sondern immer nur versucht, sie zu invalidieren.

Ich schaffe es schließlich, das Gespräch zu beenden, und noch in dem Moment, in dem ich auf den Auflegen-Button drücke, merke ich, dass ich mich nicht weiter Situationen mit diesem Menschen aussetzen möchte. Seit unserem letzten Gespräch hat sich absolut nichts in seiner Einstellung verändert und er hat anscheinend noch nicht einmal minimale Recherchen angestellt, geschweige denn sich notiert, dass ich Herr XY und nicht Frau XY bin. Weniger ernstgenommen werden kann man überhaupt nicht.

Aus einem Affekt heraus greife ich erneut zum Handy und wähle seine Nummer direkt noch einmal. „Ich noch mal“, melde ich mich, „ich möchte Sie nur informieren, dass ich unser Verhältnis gerne beenden möchte, da ich mich von Ihnen nicht ernstgenommen fühle.“ Auch hier wäre das Gespräch für mich wieder beendet gewesen, aber er geht full on Verteidigungsmode und bezieht sich wie selbstverständlich darauf, dass er mir keine Überweisung ausgestellt hat. What even the fuck? Ich sage, dass ich doch nun wisse, dass dafür der Hausarzt*die Hausärztin zuständig ist, und dass es mir um sein allgemeines Verhalten gegenüber transidenten Menschen gehe, aber da hätte mir bereits klar sein müssen, dass die Sache verloren ist. Er möchte das nicht hören, natürlich nicht.

Stattdessen wird er immer herablassender und ungeduldiger und erklärt, dass es doch richtig sei, dass er mich auf die Beschwerlichkeiten hinweise etc., und ich werde abermals darin bestätigt, wie wenig (nämlich absolut gar nicht) er meine Identität ernstnimmt. Er dreht mir alle Worte im Munde um und stellt sich als den vernünftigen Arzt und mich als den dummen, uninformierten und unreflektierten Patienten dar. Vor meinem inneren Auge sehe ich schon, wie er sich bei Kolleg*innen/Freund*innen/wie auch immer über mich lustig macht und sich über meine Anschuldigungen echauffiert, und es macht mich so unfassbar wütend, dass er dabei, nachdem er mich so unwürdig behandelt hat, als der Vernünftige wegkommt.

Mein Anliegen, ihn zu bitten, Transidentität ernster zu nehmen und nicht per se anzuzweifeln, scheitert kläglich. Ich möchte ihm erklären, dass es der falsche Weg ist, grundsätzlich einem Patienten*einer Patientin seine*ihre Transidentität ausreden zu wollen, und dass der richtige Weg wäre, konkrete Nachfragen zur empfundenen Identität und zur Geschlechtsdysphorie zu stellen, um selbst zu dieser Diagnose zu gelangen oder berechtigte Kritik zu üben, aber ich komme überhaupt nicht dazu, Derartiges zu formulieren. Genauso wenig schaffe ich, ihm zu erklären, dass es bereits viel bedeutet, sich den neuen Namen zu notieren und sich zu bemühen, die korrekte Ansprache zu verwenden, und dass es nicht schlimm ist, Fehler zu machen, solange man sich korrigiert. Ich habe das Gefühl, all meine wirklich guten Argumente kann ich überhaupt nicht mehr einbringen, und Enttäuschung und Wut werden immer größer, während er passiv-aggressiv und von oben herab schließlich meint: „Na ja, müssen Sie wissen.“

Jup, ich weiß es, und zwar, dass Sie ein absolut unfähiger Facharzt sind. Ich hoffe, kein weiterer transidenter Mensch kommt mit Ihnen in Kontakt.

Als ich zum zweiten Mal auflege, zittere ich vor Wut. Mir wird jetzt erst so richtig klar, dass der werte Herr Psychiater die Diagnose Transidentität nie auch nur erwogen hat, sondern mich von vornherein aus einer Abwehrhaltung heraus von meiner Identität abbringen wollte. Bei meinem ersten Termin hatte ich so unfassbar viel so unfassbar emotional erzählt und das alles war ihm so unfassbar egal. Er schien potenzielle Symptome überhaupt nicht hören zu wollen. Mein Gefühl ist: Egal, welche Gründe, Erlebnisse und Erkenntnisse ich angeführt hätte, er hätte mit Widerspruch reagiert – einfach aus Prinzip. Und jetzt wollte er mir weismachen, dass ich mich inkorrekt verhalte und ihm unberechtigterweise Transfeindlichkeit vorwerfe.

Ich stehe reglos da, das Handy in der Hand, der Blick ins Leere. In meiner Brust bäumt sich schäumende Wut auf und mir kommen die Tränen. Aus Wut geweint, das habe ich tatsächlich noch nie. Es gibt immer ein erstes Mal. Danke für dieses Erlebnis, Herr Psychiater, und auf Nimmerwiedersehen.

Kommentare

  1. Wow, was für ein Idiot! Hoffentlich werden seine Ärmel bei jedem Händewaschen nass. Zum Glück brauchst du ihn nicht!

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    1. Hahahahahah beste Reaktion – danke dir, du Liebe 💛

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