Hilfe, mein*e Patient*in ist trans?!

Als trans Person ist man es schnell gewöhnt, in allen möglichen Situationen zwangsweise etwas aus der Reihe zu tanzen und in dem Sinn aufzufallen, dass man nicht in die vorgegebenen Kategorien passt – so auch im Gesundheitswesen. Dieser Beitrag soll für beide Seiten – sowohl trans Patient*innen als auch medizinisches Personal von trans Patient*innen – eine kleine Hilfe sein, wie man mit dieser etwas ungewöhnlichen Situation umgeht, und Einblick in meine jüngsten persönlichen Erfahrungen geben.

Kleiner Disclaimer: Dieser Beitrag bezieht sich rein auf binäre trans Menschen. Für nichtbinäre trans Menschen ist alles wohl leider noch komplizierter. (Kleine Wiederholung: Binär bedeutet, dass man in eine der Kategorien Mann/Frau passt.)

Irrungen und Wirrungen im Transition-Prozess

Das ganze Drama der Ungereimtheiten und Verwirrungen kann direkt an dem Punkt beginnen, an dem z. B. ein Rettungswagen gerufen wird. Eine Transition ist ein Prozess, der beinhaltet, einen Haufen an Papieren neu ausstellen zu lassen (oder zumindest vorläufig einen ergänzenden Eintrag zu erwirken). Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass verschiedene Papiere noch nicht übereinstimmen.

Ich schrieb bereits einen Eintrag über den dgti-Ergänzungsausweis, den ich jeder trans Person ans Herz lege. Transfreundliche Krankenkassen akzeptieren diesen als Grundlage, um eine neue Gesundheitskarte auszustellen, und diese Gesundheitskarte ist, wie wir wissen, der Passagierschein im deutschen Gesundheitswesen. Nun kann es aber natürlich passieren, dass sich die neue Karte noch in der Ausstellung befindet und man sich mit der alten Krankenkassenkarte ausweisen muss, auf der der alte Name steht, der das falsche Geschlecht indiziert.

Als trans Person muss man sich also erst einmal darauf einstellen, dass man so angesprochen wird, wie es auf der aktuellen Krankenkassenkarte vermerkt ist. Je nachdem, wie weit die Transition in dem Sinn fortgeschritten ist, dass sie für außenstehende Personen ersichtlich ist, wird vom medizinischen Personal eine Diskrepanz zwischen vermerktem Namen/Geschlecht und tatsächlicher Person bemerkt werden – oder nicht. Wenn meine Gesundheitskarte mich als Frau ausweist und meine Stimme sich noch nicht im Stimmbruch befindet, ist es also wahrscheinlich, dass ich als Frau wahrgenommen und angesprochen werde.

Sind Anrede und Name im Krankheitsfall nicht einfach egal?

Ob man im Moment des Abholens durch einen Rettungswagen nun den Namen bzw. die Anrede korrigieren möchte, ist aber ganz allein der trans Person selbst überlassen. Klar kann man denken: „Uff, Leute, habt ihr jetzt nicht größere Probleme als die Anrede, wenn ihr gerade von einem f*cking Krankenwagen abgeholt werden müsst?“ Die Antwort ist: Das kann niemand außer die Person selbst wissen. Selbst wenn es eine Situation wäre, die über Leben und Tod entscheidet, wäre es immer noch die Entscheidung der betroffenen trans Person, ob es ihr wichtig ist, in diesem Moment auf die korrekte Anrede hinzuweisen. Denkt es euch so: Wenn eine Person in einer solchen Situation dieses Thema anspricht, wird es ihr auch wichtig sein, sonst würde sie nicht tun.

Das andere ist: Klar geht es in einer solchen Situation vorrangig um die körperliche Gesundheit. Man sollte aber nicht vergessen, dass Körper und Geist sich gegenseitig stark beeinflussen und in einem engen Verhältnis zueinander stehen. Bei vielen Menschen schlägt z. B. Stress auf den Magen oder auf die Haut oder man ist besonders anfällig für Migräne – das alles ist bekannt, erwiesen, unumstritten. Zu diesem Wissen müsst ihr einfach nur noch hinzufügen, dass eben auch eine falsche Anrede zu Stress und somit zu Unwohlsein auf verschiedenen Ebenen führen kann.

Let me reintroduce to you: Dysphorie

Für diese Art von Leid gibt es ein Wort, das ich in vorigen Blogposts bereits vorgestellt habe: Dysphorie. Dysphorie bedeutet, dass eine Inkongruenz bezüglich des Geschlechts zwischen Körper und Gehirn empfunden wird. In meinem Beispiel sagt mir mein Hirn, dass ich ein Mann bin. Deswegen löst es (tagesformabhängig) Unwohlsein bis Ekel aus, wenn ich als Frau angesprochen werde. Eigentlich ist es sogar etwas, das ihr euch als cis Menschen selbst vorstellen könnt: Wie würde es sich für euch anfühlen, wenn ihr konsequent als das Geschlecht angesprochen werdet, das ihr nicht seid? Vielleicht sagt ihr: „Ach, das wär mir jetzt auch egal.“ Dann stellt euch aber mal weiter vor, dass ihr die Person korrigiert – und sie euch daraufhin ungläubig oder gar abschätzig anschaut und eure Korrektur nicht akzeptiert. Das ist der Punkt, der wirklich schmerzhaft ist. Vielleicht wurdet ihr auch schon mal für ein Geschlecht gehalten, das ihr nicht seid. Aber musstet ihr schon einmal dafür kämpfen, als das angenommen zu werden, das ihr seid? Hat es jemals mehr gebraucht als eine simple Korrektur?

Acceptance is key

Trans Personen sind ständig in der Situation, sich beweisen zu müssen. Entweder indem sie passen, d. h. tatsächlich von Außenstehenden als das gewünschte Geschlecht gelesen werden, oder indem sie sich zwangsouten. Ich persönlich habe das „Glück“, dass es mir nichts ausmacht, mich als trans zu outen, aber stellt euch einmal vor, ihr wollt einfach nur als das Geschlecht gesehen werden, das ihr seid, und wollt nicht, dass andere wissen, dass euch bei der Geburt dieses Geschlecht leider nicht zugewiesen wurde. Wenn man noch kein gutes Passing erreicht hat, ist es in unserer Gesellschaft nahezu unmöglich, in diesem Fall als die Person akzeptiert zu werden, die man ist.

Deswegen meine Bitte: Wenn euch jemals eine Person korrigiert, weil ihr die falsche Anrede benutzt habt, bedankt euch einfach nur für die Korrektur, setzt die Information um, und reitet nicht weiter auf dem Thema herum. Akzeptiert einfach, was die Person euch sagt, und stellt keine Vermutungen über etwaige Hormontherapien und geschlechtsangleichende OPs an. Das geht euch alles nichts an, vor allem, wenn es eine wildfremde Person ist.

Krankentransport als trans Patient*in

Aber zurück zum Text. Ich komme als trans Person in einen Rettungswagen, meine Krankenkassenkarte weist mich als Frau aus, ich bin aber ein Mann und sage den Sanitäter*innen, dass die Information der Krankenkasse veraltet ist und ich Herr XY bin. Die Sanitäter*innen können bezüglich der Krankenkassenkarte natürlich nichts bewirken und sollen das auch gar nicht, die einzige Bitte an sie würde lauten: Hört der Person zu und sprecht sie so an, wie sie es sich wünscht. Falls sich etwas in euch dagegen sträubt, versucht es damit, die Person gar nicht mit Herr/Frau XY, sondern einfach nur mit „Sie“ bzw. „Du“ anzusprechen. Das ist auch ein ganz allgemeiner Tipp, um aus dem binären Muster Mann/Frau auszubrechen und Annahmen über andere Personen anzustellen. Und der letzte Tipp an die Sanitäter*innen: Vermerkt auf dem Einweisungsschein die gewünschte Ansprache für das Krankenhauspersonal. Das macht euch definitiv zum Best Allytm.

Eine kleine Bitte an meine trans Fellows

Seid nicht zu hart mit medizinischem Personal, wir wissen alle, wie hart der Gesundheitssektor ist. Vor allem begegnen z. B. Rettungssanitäter*innen nicht jeden Tag trans Personen und mit hoher Wahrscheinlichkeit seid ihr die erste Person, die ihnen sagt, dass sie bitte anders angesprochen werden möchte als ausgewiesen. Deswegen: Sagt Bescheid, wie sollen sie es sonst wissen, aber bleibt höflich und freundlich! Nur so können wir Allys gewinnen.

Eine Formulierung könnte z. B. sein: „Damit Sie Bescheid wissen, die Daten meiner Krankenkassenkarte sind veraltet, die wird Ihnen sagen, dass ich Herr/Frau XY bin, tatsächlich bin ich aber Frau/Herr XY. Könnten Sie das bitte vermerken?“ Wenn ihr auf Widerwillen trefft, bleibt hartnäckig, aber freundlich und bestimmt.

Stationäre Aufnahme als trans Patient*in

Weiter geht’s, ihr kommt ins Krankenhaus und je nachdem, was die Sanitäter*innen vermerkt haben, könnt ihr alles noch einmal oder auch ein paar Mal sagen. Auch hier rate ich: Bleibt hartnäckig, aber ruhig und bestimmt und vor allem freundlich. Ärzt*innen werden dann auch nach Medikamenten etc. fragen und das ist in dem Fall wichtig, habt also keine Scheu, Fragen zu einer eventuellen Hormontherapie oder geschehenen OPs zu beantworten.

Eine Sache möchte ich an der Stelle noch hervorheben: Für uns trans Personen scheint es selbstverständlich, dass wir ab dem Moment des Outings auch mit unserem neuen Namen und der neuen Anrede angesprochen werden wollen. Ich habe festgestellt: Wer sich noch nicht mit der ganzen Materie rund um Transidentität auseinandergesetzt hat, findet das gar nicht selbstverständlich. Das Konzept Transidentität ist allgemein schwer zu greifen für Personen, die sich noch nie mit ihrer Geschlechtsidentität auseinandergesetzt haben, weil sie es ja nie mussten, weil alles gepasst hat. Man kommt also als cis Person ohne Anreize von außen nicht unbedingt auf die Idee, sich in eine trans Person hineinzuversetzen.

Ich bin die letzten Tage vermehrt auf die Frage gestoßen: „Okay, aber ab wann bist du dann ein Mann/Herr XY/Kaspar?“ Auch wenn ich selbst über die Frage ein wenig lächeln muss, möchte ich ein kleines Plädoyer aussprechen: Nehmt es den Fragesteller*innen nicht übel. Bei keiner der Personen, die mir diese Frage gestellt haben, hatte ich das Gefühl, dass sie die Antwort – egal, welche – nicht akzeptieren, sie waren wirklich einfach nur verwirrt. Um die Verwirrung zu lüften, hole ich kurz aus.

Irrungen und Wirrungen der gesetzlichen Begrifflichkeiten

Der offizielle Weg, den trans Personen gehen, nennt sich Transition (Übergang). Daher kommt schon die ganze Verwirrung, weil es sich nach einer Zeitspanne anhört, in der man weder Mann noch Frau ist, sondern irgendetwas dazwischen. Das liegt daran, dass die Gesellschaft versucht, das Phänomen Transidentität irgendwie zu kategorisieren, einzuordnen und zu benennen, und manche Begriffe können da einfach irreführend sein. Medizinisch heißt es z. B. Frau-zu-Mann-Transition bzw. Mann-zu-Frau-Transition. Wenn Mediziner*innen diese Begriffe lernen, ist es also auch kein Wunder, wenn sie denken: „Okay, die Person befindet sich jetzt noch in der Phase Frau und irgendwann später dann in der Phase Mann.“

Tatsächlich war eine trans Person aber nie erst Frau und dann Mann oder andersherum. Die Kategorien Frau und Mann sind gesellschaftliche Kategorien und die Zugehörigkeit dazu entscheidet das Gehirn. Und diese Geschlechtsidentität, die das Gehirn bestimmt, steht i. d. R. ziemlich früh fest. Was zum Geschlechtseintrag weiblich führt, ist jedoch das Nichtvorhandensein eines Penis bei einem neugeborenen Baby. Ich hatte also nie einen Penis und verfügte somit nie über männliche Genitalien, aber deswegen habe ich mich gesellschaftlich trotzdem nie als Frau gefühlt. Das war es, was ich mit den Jahren herausgefunden habe, und durch unsere binären Kategorien und das Eingeschossensein auf Genitalien brauchen ich und viele weitere trans Personen so verdammt lange, um herauszufinden, dass wir vielleicht einfach gar nicht das Geschlecht haben, das uns bei der Geburt zugewiesen wurde.

Let’s NOT talk about Genitals

Deswegen bevorzugen es die meisten trans Personen, auch nicht rückblickend als Frau bzw. Mann bezeichnet zu werden. Ich war schon immer ein Mann, der eben versucht hat, als Frau zu leben, der als solche wahrgenommen und angesprochen wurde. Aber nur weil ich sage, ich war schon immer ein Mann und fühle mich mit dem Begriff Frau nicht identifiziert, leugne ich übrigens nicht, über sogenannte weibliche Genitalien zu verfügen. Aber: Meine Genitalien gehen halt überhaupt niemanden außer mich selbst (und evtl. Ärzt*innen im gegebenen Kontext) etwas an. Warum haben Menschen das Bedürfnis, mir zu sagen, ich sei eine Frau gewesen oder sei noch immer eine, weil ich ja eine Vagina habe? Wieso so versteift auf mein Genital? Wieso denken Menschen, es ist in Ordnung, überhaupt nachzufragen, was für Genitalien eine Person hat? Wenn ihr eine x-beliebige neue Person kennenlernt, fragt ihr dann auch direkt, ob sie einen Penis oder eine Vagina hat? Stellt es euch mal vor, dann merkt ihr, wie übergriffig das wäre. Für trans Personen steht es aber an der Tagesordnung, solch übergriffige Fragen gestellt zu bekommen. Lasst uns das gemeinsam ändern und solche Fragen einfach bleiben lassen!

Wenn es euch so unfassbar brennend interessiert, was eine andere Person zwischen den Beinen hat, fragt euch vielleicht zwei Dinge zunächst einmal selbst. Zum einen: Wie würdet ihr reagieren, wenn ihr dieselbe Frage gestellt bekommen würdet? Wollt ihr über eure eigenen Genitalien mit fremden Menschen sprechen? Und zum anderen: Warum wollt ihr es wissen? In welcher Beziehung steht ihr zu der Person? Hinterfragt eure Motivation. Und wenn ihr zu dem Punkt kommt, dass ihr die Frage wirklich stellen wollt, dann macht es bitte mit Respekt.

Das geht z. B. so: „Darf ich dir eine sehr persönliche Frage stellen? Ich möchte nicht übergriffig sein und es ist völlig okay, wenn du nicht darüber reden möchtest, aber ich hätte Interesse daran, darüber zu sprechen.“ Und ganz wichtig: Wenn die Person verneint, hakt die Sache ab, sprecht über anderes weiter, macht kein Drama daraus, dass ihr eine Abfuhr bekommen habt. Zur Kenntnis nehmen, gegebenenfalls entschuldigen für Übergriffigkeit, und weiter geht’s!

Okay, aber ab wann bist du denn jetzt ein Mann?

Long story short: Wenn euch jemand fragt, ab wann ihr nun ein Mann/eine Frau seid, sagt einfach: „Ab jetzt.“ Stellt euch mit eurem neuen Namen vor und erklärt, falls notwendig, dass es noch Diskrepanzen zu Papieren gibt, und betont aber, was eure korrekte Anrede ist. Falls sie es immer noch nicht verstehen und so etwas sagen wie „Aber der Prozess ist doch noch nicht abgeschlossen“, könnt ihr z. B. so reagieren: „Um den medizinischen oder gar den amtlichen Prozess geht es nicht, sondern rein darum, wie Sie mich persönlich anreden. Also nennen Sie mich bitte XY.“ Wenn sie sich dann immer noch weigern, euch wie gewünscht anzusprechen, haben sie sich einfach als absolut intolerantes Arschlochtm geoutet.

Trans sein und die Bürokratie

In der Bürokratie könnt ihr euren neuen Namen angeben und in Klammern den amtlichen schreiben oder ähnlich – vermerkt, um weitere Verwirrungen zu vermeiden, beide Namen, macht aber deutlich, welches der zu wählende ist. Ich habe mich z. B. als Kaspar eingetragen und kleiner und in Klammern geschrieben: „veraltet, noch amtlich: XY“. Falls die neue Gesundheitskarte bereits unterwegs ist, kann das auch vermerkt werden.

In dem speziellen Fall hilft es außerdem, sich bei einem stationären Aufenthalt direkt bei der Krankenkasse zu melden (z. B. per E-Mail oder Telefon). Die können die aktuellen Daten direkt an das Krankenhaus faxen.

„Oje“, denkt ihr euch vielleicht, „so viel Text, so viel Trara, alles nur wegen eines Hr. XY statt Fr. XY – muss das sein?“ Die Antwort ist ganz einfach: Es muss sein, wenn die betroffene Person findet, dass es sein muss. Sonst kann das schlicht niemand beantworten.

Psychisches Leid als trans Person durch Misgendering und Deadnaming

Zum Abschluss möchte ich aber dennoch einen Einblick geben, warum so etwas Simples wie eine kleine Anrede so eine große Macht hat. Der Grund liegt auf der Hand: Es ist Leid bzw. Schmerz. Leid und Schmerz gibt es nämlich – das sollte inzwischen bekannt sein – nicht nur physisch, sondern auch psychisch.

Um anderen verständlich zu machen, warum mir die Anrede so wichtig ist, erkläre ich mich deshalb gerne damit, auch wenn ich mich damit gewissermaßen bloßstelle: Ich erfahre psychischen Schmerz dadurch, mit der falschen Anrede und/oder dem falschen Namen angeredet zu werden. Dieser Schmerz ist für cis Personen nicht so einfach greifbar, zumal jeder psychische Schmerz schon schwieriger zu greifen ist als physischer, aber er ist real. 

Jede Person kennt es, dass es im Herzen weh tut, wenn sie an etwas Trauriges denkt. Dieses Ziehen im Herzen fühlt sich physisch real an, auch wenn es psychisch durch Trauer bedingt ist. Diese Art von Schmerz ist sehr gut vergleichbar mit dem Schmerz, den ich und andere trans Personen spüren, wenn man unsere Selbstdefinition nicht akzeptiert. Wie immer ist natürlich jede Person individuell und ich werde auf diesem Blog niemals für alle trans Menschen sprechen können, aber vielleicht finden sich einige in meinen Ausführungen wieder. Einige verspüren vielleicht noch stärkeren Schmerz, andere vielleicht weniger. Menschen sind nun mal einzigartig.

Und genau das könnten wir als Gesellschaft zum Ziel haben, zu akzeptieren: Jeder Mensch ist einzigartig und jeder Mensch ist genau so anzunehmen, wie er sich selbst definiert.

Mi-Mi-Mimose?

Ich habe es übrigens für euch ausprobiert, diesen Schmerz, falsch angesprochen zu werden, herunterzuschlucken. Weil ich eben im Krankenhaus lag, weil ich starke physische Schmerzen hatte, weil ich wusste, medizinisches Personal hat eh schon einen Kackjob. Ich dachte wirklich: „Okay, ich halte das dann jetzt halt aus.“ Und, news flash: Nach ein paar Tagen des Herunterschluckens war ich psychisch an einem so schlechten Punkt wie monatelang nicht mehr. Ich war apathisch, ich wollte gar nichts mehr, ich hatte keine Hoffnung auf nichts, mir ging es einfach nur sowohl physisch als auch psychisch dreckig. Und da ging mir erst auf, wieviel es ausgemacht hat, tagelang misgendert zu werden. Vielleicht sind andere da stärker als ich. Vielleicht war ich schon relativ stark. Ich hab keine Ahnung, ich hab keine Vergleiche. Ich weiß nun nur: Psychischer Schmerz durch Misgendering und Deadnaming ist real und kann eine sowieso schon schlechte Verfassung noch verschlimmern. 

Und da im Krankenhaus Heilung als oberstes Ziel steht, sollten eben alle Faktoren miteinbezogen werden, die beim Heilungsprozess eine Rolle spielen. Ich habe gemerkt: Ich kann nicht heilen, wenn mir mehrmals täglich bewusst gemacht wird, dass Menschen mich als Frau sehen. Ich war sehr kurz davor, wieder in eine depressive Episode abzurutschen. Und wenn man das verhindern kann, einfach indem man freundlich mit dem Krankenhauspersonal kommuniziert, dann sollte das ja für keine Seite auch nur irgendwie ein Drama sein, oder? Eine kleine Anredens- und Namensänderung ist für das Personal wirklich nicht die Welt, für die trans Person kann es aber in dem Moment einen großen Teil der erlebten Welt ausmachen.

What I learned

Ich habe aus meiner Zeit im Krankenhaus gelernt, dass es sich für die mentale Gesundheit definitiv lohnt, für sich einzustehen, auch wenn außenstehende (cis) Personen das ganze Thema nicht nachvollziehen können. Außerdem habe ich gelernt, dass auch Menschen, die noch nicht mit dem Thema Trans* vertraut sind, offen sind, zu lernen, wenn man ihnen Dinge nur geduldig erklärt. Das Personal lernt mit jeder trans Person hinzu – das heißt, durch Aufklärungsarbeit kann man hier viel bewirken.

Falls das hier irgendjemand aus dem Krankenhaus liest, sei an dieser Stelle noch einmal mein Dank ausgesprochen. Ich war völlig überwältigt, wie positiv, lieb und unterstützend das Personal, allen voran die Pfleger*innen, reagiert haben, als ich das Thema angesprochen habe. Falls ihr als trans Person auch mal solch gute Erfahrungen macht, teilt dem Personal eure Dankbarkeit gerne mit, denn das hat es mehr als verdient! Vielleicht hängt auf der Station nun ja meine Dankeskarte in Transflaggenfarben als Erinnerung an mich special Snowflake. ;) 

 


 

 

Kommentare

  1. Danke, Kaspar, für diesen offenen Bericht. Wäre es übergriffig zu fragen, ob du ein Einzelzimmer hattest, und wenn nicht, wie deine Zimmergenoss*innen mit der Situation umgegangen sind?

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    1. Hallo, danke für deinen Kommentar! Das ist tatsächlich ein Punkt, den ich hätte aufnehmen sollen, denn die Zimmersituation ist natürlich noch einmal komplizierter als trans Person. Ich hatte das Glück, ein Einzelzimmer zu haben. Je nach Kapazität werden wohl vorrangig Einzelzimmer vergeben oder ein Bett im Doppelzimmer wird gesperrt – oder es muss mit den Zimmergenoss*innen abgesprochen werden, dass die Situation für alle okay ist. Da war meine Situation im Krankenhaus definitiv privilegiert, dass sich dieses potenzielle Problem nicht gestellt hat.

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