Kaspar, erklär mal: Wie ist das mit einer Hormontherapie?

Am 23. Juni starte ich meine geschlechtsangleichende Hormontherapie, das heißt, ich bekomme Testosteron. Halleluja! Der erste richtig große Schritt auf dem Weg der Transition! Ich bin vor Freude ganz überwältigt.

Aber:

Was heißt das eigentlich, Hormontherapie?

Während bei Jugendlichen, die die Pubertät noch nicht durchlaufen haben, diese durch Pubertätsblocker verhindert werden kann, sodass die ungewünschten geschlechtsspezifischen Entwicklungen gar nicht erst auftreten, muss man bei Erwachsenen in den regulären Hormonhaushalt eingreifen, um körperliche Angleichungen herbeizuführen. Trans Männer erhalten hierbei das Sexualhormon Testosteron und trans Frauen das Sexualhormon Östrogen. Zusätzlich dazu können Östrogen- bzw. Testosteronblocker angewendet werden, dies ist aber individuell.

Ging das bei dir nicht ganz schön schnell mit der Hormontherapie?

Kurz: Ja. Das liegt daran, dass ich das (irony on) Glück (irony off) hatte, die letzten Jahre hochgradig depressiv zu sein, da ich deshalb bereits in psychotherapeutischer Behandlung war. Andere trans Personen, die sich auf die Reise der Transition begeben, stehen zu Beginn vor der großen Hürde, ein*e Psychotherapeut*in zu finden, da in Deutschland noch immer eine Zwangstherapie für trans Menschen vorgeschrieben ist. Und als trans Mensch ist es noch einmal schwerer, eine*n Therapeut*in zu finden, der*die den Weg begleitet und mit dem*der man sich wohl fühlt.

Da hatte ich also ein Riesenglück, dass ich bereits in Behandlung bei einer sehr lieben Therapeutin war, mit der ich mich sehr sicher und wohl fühle. Wir hatten auch bereits öfter über das Thema Geschlechtsidentität gesprochen und kurz vorm Outing wurde es dann natürlich das Thema Nr. 1 und die Therapie sehr intensiv. Ich hatte unglaublich viele Aha-Momente und Flashbacks in die Vergangenheit zu Situationen, die mir eigentlich hätten zeigen können, dass ich trans bin. Es war eine sehr intensive und sehr erleuchtende Zeit.

Und dann, wenn man nun an dem Punkt ist, dass man in Therapie ist und mit dem*der Therapeut*in über den eigenen trans Weg gesprochen hat, kann diese*r ein Indikationsschreiben ausstellen, das das Vorliegen von Transidentität und Geschlechtsdysphorie bescheinigt – und das ist der Türöffner für die Hormontherapie.

Hat man diesen Wisch, kann man sich zur Sicherheit zusätzlich noch eine Überweisung von Hausarzt*ärztin ausstellen lassen und sich mit diesen beiden Dokumenten auf die Suche nach einem sogenannten Endokrinologen*einer Endokrinologin begeben. Das sind Fachärzt*innen mit dem Spezialgebiet Hormone und wie alle Fachärzt*innen ist es natürlich nicht leicht, einen zeitnahen Termin zu bekommen.

Auch da hatte ich also unfassbar großes Glück, dass super spontan ein Termin frei wurde. Ich muss aber auch dazu sagen, dass ich mich sehr engagiert gekümmert habe – da hat wahrscheinlich auch nicht jede*r die Energie zu, wenn gerade so viel im Leben passiert. Das darf man ja nicht vergessen: Das eigene Leben wird mit dem Outing auf den Kopf gestellt, man hat vielleicht mit transphoben Reaktionen zu kämpfen, und und und. Um den medizinischen Weg der Transition zu gehen, braucht es aber sehr viel Organisation, Durchhaltevermögen und Standhaftigkeit. Man sollte also von niemandem erwarten, dass er*sie das alles so locker-flockig und schnell hinbekommt, in die Wege zu leiten.

Und die Moral von der Geschicht': Manchmal hat man einfach auch mal Glück. Es ist absolut nicht normal, dass so wenig Zeit zwischen dem offiziellen Outing und dem Beginn der Hormontherapie liegt. Man darf sich also mit mir freuen, hehe.

Aber was bringt das denn jetzt überhaupt genau?

Da ich auf diesem Blog gern etwas allgemeinere Aufklärungsarbeit zum Thema Transidentität leisten möchte, folgen jeweils ein Abschnitt über die Auswirkungen der Hormontherapie bei trans Männern und bei trans Frauen.

Hormontherapie mit Testosteron

In welcher Form kann man Testosteron verabreicht bekommen?

Zur Auswahl gibt es eine Injektion (i. d. R. ins Gesäß) sowie ein Gel zum Auftragen auf die Haut (z. B. Arme und Schultern). Patienten können meist selbst entscheiden, welche Applikationsart für sie besser geeignet ist. Die Unterschiede liegen in der Häufigkeit der Anwendung: Injiziert wird ca. alle drei Monate, das Gel wird hingegen täglich angewendet. Die Injektion verabreicht ein Arzt*eineÄrztin, das Gel trägt man selbst zu Hause auf. Bei der Entscheidung geht es also um individuelle Vorlieben. Entweder geht man also alle paar Monate zum Endokrinologen*zur Endokrinologin, bekommt dort ein Rezept für die Injektion (Nebido), holt sich die Lösung in einer Apotheke, geht damit zurück zur Praxis und bekommt es dort gespritzt; oder man holt sich alle paar Monate ein Rezept für das Gel, das man ebenfalls in der Apotheke abholt, und trägt es selbstständig jeden Morgen auf.

Wie lange muss man als trans Mann Testosteron einnehmen?

Testosteron wird i. d. R. ein Leben lang eingenommen.

Bleibt durch das Testosteron auch schon die Periode aus?

Das kommt auf den individuellen Körper an. Manche trans Männer bekommen ihre Periode gar nicht mehr, manche weniger stark oder unregelmäßiger, manche völlig regulär. Stoppt das Testosteron die Blutung nicht und möchte man dies korrigieren, kann man zusätzlich Östrogenblocker einnehmen. Dies wird mit dem Facharzt*der Fachärztin besprochen.

Was erreicht man durch die Einnahme von Testosteron?

Kurz: ein männliches Aussehen. Die Entwicklungen treten schleichend ein und bis alle Punkte erreicht sind, können Jahre vergehen, aber im Folgenden liste ich die erwünschten Wirkungen auf. Insgesamt ist zu sagen: Bei trans Männern ist eine relativ umfassende Angleichung des Körpers möglich. Wie die folgende Liste aufzeigt, werden viele Bereiche des Körpers verändert und nur Grundlegendes wie die Körpergröße ist unveränderbar.

  • stärkere Körperbehaarung (Beine, Arme, Bauch, Brust)
  • Bartwuchs
  • Umverteilung der Fett- und Muskelmasse: Fetteinlagerungen wandern von Oberschenkeln und Po in den Bauch, Muskeln werden leichter aufgebaut, das Kreuz wird breiter
  • das Gesicht wird markanter
  • die Haut wird gröber
  • Stimmbruch und Ausprägung des Adamsapfels: die Stimme wird deutlich tiefer (wie im Stimmbruch bei pubertierenden cis Jungs)
  • die Menstruation bleibt evtl. aus
  • die Klitoris wächst um ein paar Zentimeter und wird zu einer Art Minipenis (t-dick, pentoris)

Weniger erwünschte Nebenwirkungen gehören natürlich auch dazu (dessen muss man sich bewusst sein!):

  • Akne (wie in der Pubertät)
  • vermehrtes Schwitzen
  • Muskelschmerzen
  • je nach genetischer Veranlagung Haarausfall
  • erhöhte Libido
  • evtl. emotionale Veränderungen (Klischee: weniger weinen können)

Hormontherapie mit Östrogen

In welcher Form kann man Östrogen verabreicht bekommen?

Im Gegensatz zur Therapie mit Testosteron wird Östrogen i. d. R. nicht injiziert, sondern es kann als Gel oder Pflaster aufgetragen werden – und es gibt zusätzlich die Option, es in Tablettenform einzunehmen, was es bei Testosteron nicht gibt. Im Gegensatz zu trans Männern wird trans Frauen i. d. R. auch ein Testosteronblocker verabreicht, um die Wirkung des Testosterons zu hemmen. Die Tablettenform birgt den Nachteil, dass sich das Östrogen zum Teil bereits in der Leber abbaut und dies die Leber belasten kann. Bei den Applikationsformen Gel und Pflaster besteht dieses Risiko nicht, da das Östrogen von der Haut direkt ins Blut gelangt. Tablette sowie Gel werden täglich eingenommen bzw. aufgetragen und das Pflaster zweimal pro Woche. Wie bei der Hormontherapie mit Testosteron gilt hier: Es ist individuell zu entscheiden, welche Applikationsart die geeignete ist.

Wie lange muss man als trans Frau Östrogen einnehmen?

Auch hier: Lebenslang.

Bekommt man durch Östrogen auch eine Periode?

Nein, da bei einer trans Frau keine Gebärmutter vorhanden ist. Ein kleiner Tipp: Verzichtet auf Kommentare dahingehend, dass das ja praktisch sei, eine Frau zu sein, ohne mit Regelschmerzen zu kämpfen zu haben – denn das bedeutet auch, dass man keine leiblichen Kinder bekommen kann. Die Tatsache, eine Frau zu sein, die nicht schwanger werden kann, kann vielleicht attraktiv wirken für Menschen ohne Kinderwunsch, aber für eine trans Frau mit Kinderwunsch ist dies eine äußerst belastende Situation.

Was erreicht man durch die Einnahme von Östrogen?

Zu Beginn ist zu sagen, dass die männliche Pubertät mit Testosteron zum Teil leider irreversibel ist (z. B. der Stimmbruch, die Breite des Kreuzes, Gesichtsbehaarung etc.). Daher können im Schnitt etwas weniger Angleichungen erzielt werden als bei der Hormontherapie mit Testosteron. Deshalb haben trans Frauen für eine umfassende körperliche Angleichung eine höhere Anzahl an OPs zu durchlaufen als trans Männer (zum Thema OPs wird es einen eigenen Blogartikel geben). Dennoch bewirkt die Hormontherapie einiges:

  • die Haut wird weicher
  • die Gesichtszüge werden sanfter
  • Umverteilung der Fett- und Muskelmasse: Muskelmasse und Kraft nehmen ab, Fett wird an typisch weiblichen Stellen eingelagert (Oberschenkel, Po)
  • weniger Körperbehaarung
  • verlangsamter Kopfhaarverlust
  • höhere Empfindlichkeit in den Brustwarzen
  • Wachsen der Brüste zu einer Art Kleinmädchenbrust
  • gehemmte Libido
  • Verkleinerung der Hoden und Reduktion der Spermaproduktion

Fazit

Eine geschlechtsangleichende Hormontherapie bedeutet im Grunde, dass man eine zweite Pubertät durchlebt. Wenn man eine Analogie anstellen möchte, könnte man sagen: Vor der Hormontherapie ist man quasi ein trans Junge/Mädchen und durch die Gabe des entsprechenden Sexualhormons kommt man in die Pubertät und wird zum trans Mann/zur trans Frau. Um allgemein in der Gesellschaft korrekt wahrgenommen zu werden, ist eine Hormontherapie meist unumgänglich. Das heißt trotzdem nicht, dass man verpflichtet ist, sich als trans Mensch einer Hormontherapie zu unterziehen – jedem*r ist selbst überlassen, was der geeignete, ganz persönliche Weg ist!

Und nicht vergessen: Die Geschlechtsidentität ist nicht vom Hormonhaushalt abhängig. Ihr werdet nicht erst zum Mann*zur Frau, wenn ihr das entsprechende Hormon zu euch nehmt. Welche Geschlechtszugehörigkeit ihr empfindet, bestimmt allein ihr, und Hormone sind lediglich eine Unterstützung, um Geschlechtsdysphorie entgegenzuwirken und das Erscheinungsbild an das gewünschte Geschlecht anzugleichen.

Kommentare

  1. Ach Kaspar, ich liebe seinen Schreibstil! Und ich finde es klasse, dass du uns alle auf deiner Reise mitnimmst ❤️

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